Grundsteinlegung für dieses Objekt war im Spätsommer des Jahres 1981, nach nur einem
dreiviertel Jahr Bauzeit waren vier sechsgeschossige Internatsgebäude, ein Schulgebäude,
eine Turnhalle sowie ein Mensagebäude fertiggestellt. Im Frühjahr des Jahres 1982 kam
eine erste Gruppe moçambiquanischer Kinder nach Staßfurt, etappenweise stieg ihre
Zahl dann auf neunhundert Schüler im Spätsommer des Jahres 1982 an. Planmäßig konnte
am 1. September 1982 der Schulunterricht für die moçambiquanischen Mädchen und Jungen
beginnen. Der vermittelte Unterrichtsstoff sowie die verwendeten Materialien unterschieden
sich nur unwesentlich von dem in der DDR sonst üblichen Schulalltag, jedoch waren die
Lehrpläne so gestaltet, dass die Moçambiquaner bereits zum Ende ihrer Schulausbildung
nach der achten Klasse annähernd ein Allgemeinwissen verfügten, wie es nach
Abschluss der zehnten Klassenstufe erreicht wäre.
Bedingt durch die annähernd hermetische Abriegelung dieses Objektes, die Schülerinnnen
und Schüler durften keinerlei Besuch in der "Schule der Freundschaft" empfangen, auch
"Tage der offenen Tür" gab es nicht, keimten bald die abenteuerlichsten Gerüchte
in der Stadt Staßfurt auf: in der "Schule der Freundschaft" gäbe es, entgegen
dem sonst üblichen DDR- Alltag, Südfrüchte im Überfluss; die Lehrkräfte und
andere Mitarbeiter der "Schule der Freundschaft" bekämen einen Teil ihres
Gehaltes in D- Mark ausgezahlt oder, dass in dem Objekt eine eigene
Schwimmhalle vorhanden sei. All dies gehört in das Reich der Legenden.
Tatsache ist, dass die Schülerinnen und Schüler in spartanisch eingerichteten
Räumen mit bis zu zehn Mitbewohnern lebten. Lediglich einige Werkstätten sowie
Einrichtungen zur sportlichen Betätigung in der Freizeit standen ihnen zur Verfügung.
Die Versorgung fand im objekteigenen Mensagebäude mit dazugehöriger Großküche statt.
Auf dem Speiseplan stand normale deutsche Küche,
wie es sie in anderen Schulen oder Betrieben auch gab.
Viele Staßfurter Familien übernahmen Patenschaften für jeweils einen moçambiquanischen
Schüler und boten so zumindest zeitweilig ein annähernd familiäres Umfeld.
Nach einer vierjährigen Beschulung von der fünften bis zur achten Klassenstufe traten
die nun Jugendlichen Facharbeiterausbildungen in verschiedenen Betrieben in Staßfurt und
der Region an, die sie nach zwei Jahren zum größten Teil abschlossen. Anschließend, im
Herbst des Jahres 1988, kehrten sie in ihr Heimatland Moçambique zurück.
In der "Schule der Freundschaft" lebten und lernten danach noch namibische Kinder, auch
waren für kurze Zeit Kubaner und Jemeniten in den Gebäuden untergebracht, ehe dieses
Objekt zu Beginn der 1990-er Jahre aufgelöst wurde. Anschließend wurde in der
"Schule der Freundschaft" das Berufsförderungswerk Sachsen- Anhalt eingerichtet.
Vereinzelt kehrten moçambiquanische Schülerinnen und Schüler nach
Staßfurt zurück und fanden hier ihre neue Heimat.
Obwohl die "Schule der Freundschaft" in der DDR einmalig war und die vielen
Moçambiquaner fast ein Jahrzehnt lang zu Staßfurt gehörten, ist heute die
Erinnerung an diese Einrichtung bei vielen Staßfurtern nahezu erloschen.
Einige der Schüler der "Schule der Freundschaft" sind mir in sehr guter Erinnerung
geblieben, denn gleich zu Beginn ihres Aufenthaltes in Staßfurt im Jahre 1982 lernte
ich Mario Pussua Gimo sowie Gonçalves Alfinete aus Moçambique kennen, einige
Jahre später dann noch Shafa Shufeni aus Namibia. Nach dem Ende
ihrer Ausbildung im Jahre 1988 kehrten auch sie, wie die übrigen Jugendlichen
der "Schule der Freundschaft", in ihr Heimatland zurück. Mit meinem Freund
Mario Pussua Gimo stehe ich bis heute im Kontakt, bald werde ich ihn in
seinem Heimatland Moçambique besuchen.